Mai 152011
 

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Übersicht des Portraitkleides

Anfertigung des Kleides

Das fertige Kleid

Unterschiede zwischen meiner Reproduktion und dem Portraitkleid

Statistiken für das Kleid

Links zu anderen Reproduktionen dieses Kleides, die ich im Internet gefunden habe

Übersicht des Portraitkleides

Dies Potrait von Jan van Eyck is auf 1434 datiert (man beachte die Signatur und das Datum auf der Wand im Hintergrund). Es wird gemeinhin angenommen, dass es den Tuchhändler Giovanni Arnolfini und seine Frau Giovanna Cenami darstellt, obwohl dies nicht endgültig sichergestellt ist – siehe den betreffenden Wikipedia-Eintrag für weitere Informationen.
Das Interessante an diesem Portrait ist, dass es schon fast fotorealistisch ist; also aussieht wie eine Fotografie. Man kann alles wirklich gut erkennen; von den gezaddelten Ärmeldekorationen, zum Fell auf ihrem Kleid, bis hin zu den feinen Haarzöpfen in ihrer Frisur und auch den winzigen Falten ihres Schleiers (Kruseler). Auch befindet sich an der Wand im Hintergrund ein Spiegel, der mehr oder weniger auch die Kleidung von der Rückseite zeigt.

Die Braut trägt ein beeindruckendes grünes Wollkleid, das mit Pelz besetzt ist. Darunter trägt sie wohl ein weiteres, blaues Damast-Kleid, von dem zumindest der Saum ebenfalls mit Fell besetzt ist.

Anfertigung des Kleides

Hier ist mein ‚Kleidertagebuch‘ für die Anfertigung dieses Kleides.

Dieses Bild zeigt die Stoffhaufen, die ich ursprünglich verwenden wollte, um das Kleid zu machen. Irgendwann ist mir dann aufgefallen, dass ich gar nicht alle Stoffe brauche; mehr zu diesem Thema später.
Der cremefarbene Stoff ist 12 Meter von einer schönen, weichen und nicht zu dicken Wolle, die ich erst blau, dann gelb färben möchte, um das Grün des Kleides zu erreichen.
Der Grüne Stoff ganz vorn wird das Futter des Kleides.
Der blaue Damast (oben rechts) wird das Unterkleid.
Der Blümchenstoff darunter (der eigentlich ein Bettbezug ist) sollte eigentlich das Futter des Unterkleides werden.
Für den Pelzbesatz habe ich einen alten Pelzmantel (ja, echten Pelz!) den ich auseinandernehmen kann.

Hier ist ein Vergleichsbild zwischen meinem blauen Damast und dem Portrait. Ich werde den noch einmal zusammen mit der blauen Färbung der Wolle färben, um die Farbe zu intensivieren. Die Größe des Stoffmusters ist übrigens lebensgroß, verglichen mit ihrem Unterarm, meinem Unterarm und dem Damast-Muster.

Nachdem die Wolle und der Damast ihre Verabredung mit dem Färbebad hatten, sah das ganze so aus:

Das war GAR NICHT zufriedenstellend, da die grüne Wolle nicht wirklich grün, sondern ‚hell-petrol‘ war. Also nochmal färben:

(der ‚Streifen‘ am unteren Rand ist der Vergleich zur oben gezeigten, ersten Färbung). IMMER noch nicht zufriedenstellend. Also ein DRITTES Mal ins Färbebad.

Und JA, damit kann ich leben. Das Grün ist nicht ganz so gelblich wie im Portrait, aber da mein Teint kein Gelb mag, bin ich über die bläulich-grüne Wolle nicht wirklich unglücklich. Außerdem, da ich die Wolle mittlerweile FÜNFMAL in heißem Wasser gefärbt habe, waren nur noch ACHT Meter statt ZWÖLF übrig, und auch die Breite war von 140 auf 110cm geschrumpft. Ich glaube zwar nicht, dass die Wolle noch mehr eingesprungen wäre, aber wollte andererseits auch nichts riskieren.

Während die Wolle also färbte und trocknete (was mehrere Tage dauerte – färben, waschen, trocknen, nicht zufrieden sein, von vorne, etc…), habe ich mir schon mal den blauen Damast geschnappt, um davon ein einfaches Unterkleid zu machen (welches nicht zu weit sein durfte, weil ich nur drei Meter von dem Stoff hatte).

Euch wird auffallen, dass die Ärmel zu lang erscheinen. Das ist deswegen so, weil sie nicht gerade eng anliegend sind im Portrait, eher so eine Art Bischofsärmel:

Also mussten die Ärmel neben der Weite auch etwas länger sein.
Ich habe dann das Kleid eine Weile so hängen lassen, damit sich der Rocksaum aushängen kann, da dort ja nachher noch Fell angebracht werden soll und er sich dann mit Sicherheit noch weiter streckt.

Nachdem die Stoffe für das Überkleid gefärbt und das Unterkleid so weit fertigggestellt war, habe ich erstmal ein Testobjekt aus dem Futterstoff für das Unterkleid gemacht. Dafür habe ich eine leicht modifizierte Version des Schnittmusters benutzt, welches in Jean Hunnisett’s Buch „Theatrical Costumes – Medieval to 1500“ abgebildet ist, und den grünen Taft, der mein Futter werden soll:

Und jetzt machen wir mal schnell einen Sprung zu der Theorie hin, dass Giovanna auf dem Bild ’schwanger‘ sein soll. Nein, ist sie nicht.
Schaut mal dieses Bild an, welches mein dünnes Futter zeigt, welches in ähnlicher Weise hochgepinnt ist, wie Giovanna ihren Rock hochhält…:

…und DANN stellen wir uns einfach mal vor, daß dies kein Futtertaft wäre, sondern Futter UND Wolle UND auch noch mit Pelz gefüttert (man kann an der Unterkante ihres Überkleides ganz klar sehen, dass der Rock INNEN mit Pelz gefüttert ist!)….
NEIN, die Dame ist NICHT schwanger. Es ist lediglich ein unglaublich auftragender Rock! *lol*

Nachdem das Futter fertig war, habe ich mit dem Kleid angefangen – mit den Ärmeldekorationen, um genau zu sein.

Als erstes musste ich natürlich Streifen schneiden, aus denen die Deko gemacht ist. Die sind etwa 5cm breit und in der Form von etwas eingeschnitten, was aussieht wie ein ‚Eisernes Kreuz‘. Ich habe also erstmal 10 Meter Streifen mit einem ‚gewellten‘ Rollschneider geschnitten:

Hier ist ein Bild, welches die ‚Kreuz‘-Schnitte mit dem vergleicht, was im Portrait zu sehen ist:

Dann habe ich diese Streifen an einen der Ärmel angenäht.
Es stellte sich heraus, dass ich nicht genug Streifen (10 Meter!) geschnitten hatte, also musste ich mehr schneiden.
Im Endeffekt, zusammen mit dem zweiten Ärmel, habe ich nicht weniger als 32,5 Meter (!!!) gebraucht, das bedeutet 16,25 Meter (!!!) pro Ärmel (!!!).
Und nein, das hat weder Spaß gemacht, noch ging es schnell, noch war es nach den ersten fünf Metern noch irgendwie interessant – aber es musste ja getan werden!

Hier sind ein paar Bilder der Ärmel „in Arbeit“:

Nach den Ärmeln habe ich angefangen, auch den Rest des Überkleides aus Wolle zusammenzubasteln. Das erste Bild sah dann so aus:

und ich HASSTE es. Es sah aus wie ein riesiges, grünes ZELT. Außerdem ist ‚figurschmeichelnd‘ nicht wirklich der Ausdruck, mit dem ich die Form umschreiben würde.

Wir vergleichen also mal wieder mit dem Originalgemälde:

Ah, da sitzt also das Problem (gelegentlich hilft so ein bildhafter Vergleich mehr, als hundertmal zwischen Bild und Kleid real hin- und her zu schauen!):

Erstens, der Gürtel muss höher. Also, etwa 10cm höher.
Zweitens ist die ‚Sternfältelung‘ vorne total falsch. Natürlich, weil sie ja noch nicht mal an Ort und Stelle gepinnt ist.
Drittens sieht das Kleid aus wie ein Zelt, weil die Seiten so sehr vom Gürtel wegstehen, während auf dem Gemälde das Kleid unterhalb der Brust noch halbwegs am Körper anliegt.

Was ich also tun musste, war, das Futter quasi hauteng zu machen, und den Oberstoff darauf festzuheften, so daß er (zumindest bis zur natürlichen Taille!) eng am Körper bleibt.

Dazu habe ich im Prinzip die Seiten des ‚Wolle‘-Kleides auf das ‚Taft‘-Unterkleid gepinnt und dann mit unsichtbaren Stichen dort festgeheftet. Genau dasselbe habe ich im Prinzip mit der ‚Sternenfältelung‘ getan (erst nur mit Nadeln). Als ich damit fertig war, sah das Kleid schon WESENTLICH besser aus:

Die Sternenfältelung sieht ein bisschen anders aus als die von Giovanna. Das liegt – äh – daran, dass meine Brüste ein gutes Stück größer sind als die von Giovanna. *lol*
Außerdem sieht man, dass mein ‚Stern‘ ein gutes Stück ‚wellig‘ aussieht; das ist so, weil er auf diesem Bild nur aufgepinnt und nicht festgenäht ist – die Stecknadeln verursachen die Wellen. Das wird anders aussehen, wenn idh den Oberstoff erstmal auf dem Futter festgenäht habe.

Wenn ihr noch keinen Unterschied sehen könnt, hier ist ein direkter Vergleich zwischen ‚vor‘ und ’nach‘ Formgebung. Ihr werdet mir vermutlich recht geben, dass das ‚vorher‘-Kleid etwa drei Nummern größer aussieht 😉

Zwischendrin habe ich dann auch mit dem Schleier angefangen (der auf Deutsch ‚Kruseler‘ heißt).
Dafür habe ich sogenanntes Taschentuchleinen benutzt (ein sehr feines Leinen). Davon habe ich 25 Meter 5cm breite Schrägstreifen geschnitten, um damit die Rüschen zu machen. Den Saum jeder Rüsche habe ich gerollt und festgenäht, die andere Seite habe ich angerüscht und auf zwei Stoffstücke genäht, die die ‚Basis‘ des Schleiers wurden.

Hier ist eine Nahaufnahme des Schleiers in der Entstehung. Vier Reihen aufgenäht, eine noch zu nähen:

Hier sind mal ein paar Bilder aus dem Garten. Das Unterkleid hat mittlerweile Pelz am Saum, das Überkleid eine Schnürung am Rücken (allerdings noch nicht mit der richtigen Schnur). Ich muss noch Pelz an’s Überkleid bringen; an den Ärmeln habe ich es schon getan. Auch muss ich mich entscheiden, was genau ich eigentlich mit dem Ausschnitt des Unterkleides machen will.

Das fertige Kleid

Das Bild, welches meine Reproduktion mit dem Original vergleicht:

Unterschiede zwischen meiner Reproduktion und dem Portraitkleid:

  • Die Haare des Pelzes, den ich verwendet habe, sind wesentlich länger als im Original. Ich vermute, dass ihr Pelz ein Nerz ist, während meiner ein Griesfuchs ist.
  • Die Farbe des Überkleides ist nicht wie im Gemälde. Das Problem hatte ich aber weiter oben schon angesprochen; ich bin nicht unglücklich darüber.
  • Meine hängenden Ärmel sind etwa 10-15cm kürzer als ihre.
  • Meine Ärmeldekorationen sind ein wenig größer als die auf ihrem Kleid.
  • Mein Gürtel sitzt tiefer als bei ihr (was vermutlich an meiner Busengröße liegt)
  • Mein Gürtel hat keine goldenen Stickereien
  • Ich trage meinen Schleier nicht (weil mir der einfach zu warm war!)
  • Mein Ausschnitt ist etwas größer als ihrer
  • Meine Schleppe ist einen guten Meter kürzer als ihre. Ich glaube auch, dass mein Kleid vorn einen halben Meter kürzer ist als im Portrait.
  • Die Öffnung meines hängenden Ärmels ist etwa 5-7cm kürzer als ihrer
  • Mein Unterkleid ist 5-10cm länger als ihres
  • Der geflochtene Ärmelabschluss bei meinem Kleid ist etwas breiter als bei ihrem.

Von diesen Unterschieden mal abgesehen, denke ich, dass dies eine gut erkennbare Kopie des Arnolfini-Kleides ist.

Statistiken für das Kleid:

Materialien:

12 Meter 1,40m breiter Wollstoff – nach dem Waschen waren’s nur noch 8 Meter, 1,10m breit 😉
3 Meter blauer Seidendamast
6 Meter 1,40m breiter Taft als Futter
1 bodenlanger Pelzmantel, deutsche Größe 40, den ich auseinandergenommen habe, um damit das Kleid zu füttern. Ich habe alles aufgebraucht; besonders viel ist auf dem von innen mit Pelz gefütterten Rock gelandet (wobei ich allerdings nur 15cm hoch gefüttert habe)
3 Meter 1,40m breites Taschentuchleinen für den Schleier (den ich an dem Tag nicht getragen habe, weil es an dem Tag sehr heiß war; und während mich das Kleid nicht gestört hat, hat’s der Schleier sehr wohl getan!)
2 geflochtene Gürtel, die ich für die Ärmelaufschläge und den Ausschnitt des Unterkleides gebraucht habe
1 geprägten Ledergürtel, den ich, naja, als Gürtel brauchte 😉
Metallösen, um die Ösen zur Schnürung des Ober- und Unterkleides zu machen

Verbrauchte Färbefarbe:
6 Pakete ‚Simplicol‘ Kobaltblau;
6 Pakete Simplicol gelb,
10 Pakete Simplicol dunkelgrün und
eine Mischung aus etwa 10 weiteren Paketen in verschiedenen Blau-, Grün- und Gelbtönen.

Zeit, die ich brauchte, um das Kleid zu machen
Etwa zwei Wochen bei etwa 7-10 Stunden täglich (JEDEN Tag!); das sind etwa 100 Stunden Arbeit, bevor das Kleid fertig war.

Links zu anderen Reproduktionen

http://www.associatedcontent.com/article/5747178/sew_your_own_womens_medieval_renaissance.html?cat=24
http://wickedfrau.livejournal.com/tag/arnolfini
Instead of Knitting…; hier ist noch ein Posting mit dem Kleid: Halloween (Post-Op)
http://www.virtue.to/articles/arnolfini.html

Im Falle dessen, dass auch Du eine Reproduktion dieses Kleides gemacht hast, und möchtest, dass ich hier einen Link zu Dir ausbringe, zögere nicht, mir zu schreiben.
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