Mai 162011
 

Missionsname: Das ‚Vampirkleid‘ oder: „Der Lehrling von Worth“
(Erklärung gibt’s weiter unten)

Vor einigen Jahren, als ich mir das ‚Fashion‘ – Buch des Kyoto Costume Institute kaufte, war ich auf der Stelle von einem speziellen Kleid verzaubert. Es hatte nicht meine favorisierte Form – die ‚extreme‘ Tornüre der viktorianischen Zeit – es hatte überhaupt nicht meine Lieblingsfarbe – ein leuchtendes Himbeerrot – und da es sich hier um ein Empfangskleid handelte, war es noch nicht einmal praktisch. (Ja, ich weiß – ich suche mir immer so unglaublich sinnvolle Kleider aus…).

Trotzdem – der Moment, in dem ich umblätterte und das Empfangskleid von Charles Frederic Worth in dem Buch sah, war der Moment, wo ich dachte „Verdammt, ich würde mir glücklich beide Hände abhacken lassen, wenn ich einmal *so* einen Samt anfassen dürfte.“
Das fragliche Kleid, um das es hier geht – „Fashion“-Buch-Besitzer werden es wohl schon ahnen – ist dieses hier:

Und ich schwor, daß ich, sollte ich jemals einen passenden Samt finden, versuchen würde, dieses Kleid zu machen.

Die Jahre vergingen, aber niemals fiel mir ein solcher Samt in die Hände (was ja kein Wunder ist, da Schnittsamt nicht mehr hergestellt wird…), auch nichts Ähnliches. Ein einziges Mal stolperte ich über einen himbeerroten Ausbrennersamt mit Rosenmuster auf Ebay, aber die angebotene Menge wäre für das Kleid nicht ausreichend gewesen.

Dann – endlich – als ich in einem Gardinenladen herumstöberte – fand ich einen beflockten Organza mit einem ziemlichen Barockmuster in Wein- und Marlbororot. Zuerst dachte ich „Verdammt, der ist teuer!“ – aber danach ertappte ich mich dabei, daß ich den Laden öfter besuchte, nur, um einen Blick und ene Hand über den Ballen mit beflocktem Organza wandern zu lassen.
Beim letzten Besuch stellte ich fest, daß der Ballen nicht mehr an seinem Platz lag, und ich dachte, verdammt, wieder eine Gelegenheit für einen schönen Stoff verpasst.
Glücklicherweise lag ich falsch.
Als ich den Laden verließ, ging ich am Restetisch vorbei – und da lag er, ein winziger Ballen; das, was vom Flockorganza noch übrig war. 3,7 Meter, und reduzirt zum halben Preis. Ich dachte immer noch „Hmmmm, das ist ein bißchen wenig für das Kleid, aber es könnte ja immer noch für was anderes nützlich sein.“ So kaufte ich den Rest und trug ihn heim.

Ruhe? Ich hab‘ doch keine Ruhe, wenn ich einen schönen Stoff gefunden habe…
So durchforstete ich also meine Schnittmuster und fand auch eines – in Janet Arnold’s ‚Patterns of Fashion 2 – 1860-1940‘; das „Dinner dress in ivory silk, c. 1882-3 from the London Museum“.

Der Grundschnitt dieses Kleides ist dem des Worthkleides sehr ähnlich, außer, daß das Oberteil seitlich nach unten in Panniers weggezogen wird; aber das ist ja eine Sache, die man korrigieren kann. Schaut Euch doch mal an, wie ähnlich die Grundform des Kleides in einem direkten Vergleich ist:

Anmerkung: Ich weiß, das mein beflockter Organza verglichen mit dem originalen Schnittsamt absoluter Müll ist. Nachdem ich allerdings jahrelang nach *irgendeinem* passenden Samt für dieses Kleid gesucht habe, bin ich mit dem, was ich jetzt habe, unglaublich zufrieden. Sollte ich jemals einen besseren, würdigeren Samt für dieses Kleid finden, mache ich es auch gerne noch einmal – in einer ‚ultimativen‘ Version. Und *wenn* das jemals passieren sollte, dann wäre es ja wohl mehr als hilfreich, ein funktionierendes, getestetes Schnittmuster und das Kleid schon einmal ‚geübt‘ zu haben 😉
Das ist der Grund, warum ich dieses Projekt auch gerne das „Worth-Lehrlingskleid“ nenne – ich übe da an etwas, das von einem Meister kreiert wurde, und für diesen Zweck ist beflockter Organza echt ausreichend 😉

Mit meiner üblichen Methode zur Vergrößerung von skalierten Schnitten scannte ich also den Schnitt und tat genau das (ihn vergrößern, meine ich).
Danach fotografierte ich den Stoff in seiner Breite und machte mir so eine Art ‚Digitalen Stoff‘ – ein 1:10 verkleinertes Bild (15cm breit, 37 cm hoch) und verteilte darauf die auf meine Größe veränderten, ebenfalls auf 1:10 verkleinerten Schnittmusterteile.
Ich fand heraus, daß ich, wenn ich die Schleppe aus einfachem Stoff machen würde, genug Stoff hätte, um das ganze Kleid daraus zu machen.
Schaut selbst:


Schnitteile (aus Urheberrechtsgründen geschwärzt) auf dem ‚digitalen Stoff‘ verteilt, um die Musterverteilung vorzunehmen. Die hellen Stellen im Hintergrund sind ein anderes Schnittmuster, was beim Fotografieren des Stoffes unter dem Organza lag und daher durchschimmert. Der freue Platz unten zwischen den (verkürzten) Unterrockteilen könnte zum Rand der Schleppe werden.
Zu beachten ist, daß ich die Form des Oberteiles bereit die Paniers reduziert habe, und zwar zu etwas, von dem ich glaube, daß es die Form des Worth-Kleides ergeben könnte – ich werde die endgültige aber erst dann kennen, wenn ich ein Testmodell gemacht habe (welches wiederum aus dem Satin gemacht wird, den ich ohnehin als Futter unter den Organza packen werde).

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